Kälber, die bei ihren Müttern bleiben, zumindest aber bei der Herde, kennst Du sicher von Deinen Spaziergängen oder Wanderungen. In den letzten Jahren sieht man wieder öfter Weiden, auf denen Rinder aller Altersklassen gemeinsam Gras fressen oder gemütlich wiederkäuen. Dies ist eine artgerechte Haltung, die bio sein kann, aber nicht muss. Sicher aber ist, dass diese Herde sogenanntes Mastvieh ist – dazu bestimmt, zu Fleisch zu werden. Die männlichen Tiere werden mindestens zwei Jahre lang aufgezogen und schließlich geschlachtet (nur sehr selten werden sie für die Zucht verwendet), die weiblichen sind dazu bestimmt, ihrerseits Kälber zu bekommen.
Auch bei uns kamen stets alle Rinder auf die Weide oder auf eine Alm im Allgäu, solange sie zu jung waren, Milch zu geben. Milch, das weißt Du, ist für uns der wichtigste Rohstoff, aus dem unter anderem unser Käse und unser Eis gemacht wird. Milchgewinnung und Weidehaltung ist leider kaum zu vereinbaren, zumindest noch nicht in wirtschaftlich sinnvoller Weise. (Trotzdem denken wir darüber nach, es eines Tages zu verwirklichen.) Sobald unsere Kühe also Milch geben, leben sie in unserem großen Laufstall und gehen eigenständig in den Melkstand, wenn sie gemolken werden wollen. Auch im Stall fressen unsere Kühe ausschließlich Heu und Gras – schließlich produzieren wir leckere Heumilch!
HEUMI ist jetzt ein Familienbetrieb
Doch ein Thema brannte uns auf den Nägeln: Wir mussten die neugeborenen Kälber den Kühen „wegnehmen“ und quasi selbst aufziehen. Das hatte viele gute Gründe, in erster Linie aber diente es dem Schutz der Kälber – und es war Stand der Dinge auch in der Biolandwirtschaft, der wir uns von Beginn an verschrieben haben. Mittlerweile aber hat man auch in der Milchviehhaltung eine andere Auffassung erlangt, die sich hoffentlich durchsetzen wird.
Wenn Du öfter mal auf unserem Hof bist, ist es Dir bereits aufgefallen: Wir bringen die kleinen Kälber nun nicht mehr separat zunächst im Iglu unter und lassen sie nach etwa zwei Wochen, wenn wir sicher sind, dass es den Kleinen gut geht, in den „Kindergarten“, sondern halten sie nun gemeinsam mit der Mutter oder einer Amme. Das nennt man muttergebundene Kälberaufzucht. Das ist die natürlichste Form der Tierhaltung, wenngleich man einiges beachten muss. Aber dazu später.
Damit haben wir uns schon eine ganze Weile beschäftigt. Vermutlich seit dem Zeitpunkt, als wir die ersten männlichen Kälber nicht mehr an einen Mastbetrieb verkauft, sondern behalten haben. Es hat gut funktioniert, die kleinen Racker miteinander aufwachsen zu lassen. Und es hat uns gefallen, selbst zu entscheiden, was aus den männlichen Rindern wird und wie sie gemästet werden. Wir hängen halt doch sehr an unseren Tieren …
Nähe plus Freiheit – und Gerüchte
Nun also bleiben die Kleinen eine ganze Weile bei den Müttern. Das hat gute Gründe. Es hat sich in wissenschaftlichen Versuchen herausgestellt, dass saugende Kälber gesünder sind als solche, die am Tränkeautomaten gefüttert werden. Warum das so ist, weiß man noch nicht so recht, denn die Milch ist ja dieselbe. Ist es die Nähe zur Mutter? Eher nicht, denn ob das Kalb an der eigenen Mutter saugt oder an einer Tante, ist ihm egal. Auch auf der Weide in größeren Herden ist nicht zwangsläufig die Mutter diejenige, die sich um ihr Kalb kümmert.
Und damit muss ich gleich ein Gerücht ansprechen: Dass die Kleinen ständig nah bei ihren Müttern (oder Ammen) bleiben und mit ihnen kuscheln, ist leider eher Romantik als Realität. Du kannst es sehen, wenn Du unseren Mutter-Kind-Stall gegenüber dem großen Kuhstall besuchst: Die Kälber gehen zum Trinken zur Kuh, danach ziehen sie sich wieder in ihren eigenen Bereich zurück, knuddeln und rangeln miteinander oder legen sich in eines der Iglus zum Schlafen. Kurz, sie bleiben zusammen.
Eine weitere schöne Vorstellung ist, dass Kühe ihre Kälber liebevoll aufziehen. In der Tat ist es allerdings so, dass einige Mütter schlicht keine Lust auf Kinder haben und sie nicht ans Euter lassen. Sie können durchaus ruppig werden, wenn das Kalb zu hartnäckig nach Milch verlangt. Das müssen wir frühzeitig erkennen und diese Kühe eben in Ruhe lassen. Andere wiederum lieben es, sich um Nachwuchs zu kümmern; diese Kühe sind tolle Ammen und dürfen das nun ausleben. Milch genug für mehrere Kälber hat jede Kuh.
Und was kostet das alles?
Apropos Milch. Wenn Du hörst oder liest, dass Landwirte bei der muttergebundenen Kälberaufzucht auf Milch verzichten, ist das – ich muss es so deutlich sagen – absoluter Quatsch. Auch bisher haben unsere Kälber die Milch bekommen, die auch Du bei uns kaufen kannst. Selbstverständlich unverdünnt! Es ist also keinesfalls von Einbußen zu reden. Auch die Menge ist kein Problem für uns, denn ob das Kalb nun an einem Tag zwei oder drei Liter mehr trinkt, fällt nicht ins Gewicht. Uns ist es recht, wenn unsere Kälber sich jederzeit in beliebiger Menge bedienen können und satt, gesund und zufrieden sind.
Warum also ist die Milch teurer, wenn die Kälber bei ihren Müttern oder bei Ammen bleiben? Das hat wirtschaftliche Gründe. Wir mussten Geld in einen neuen Stall sowie in einen Freilauf investieren. Wir haben mehr Aufwand, denn die Kühe müssen trotz der Kälber, die an ihren Eutern trinken, gemolken werden. Außer bei Ammen, die mehrere Kälber versorgen, bleibt sonst zu viel Milch „übrig“ und die Kuh bekommt ein Problem. Also müssen wir täglich ran. Wir haben deshalb den Preis für den Liter Milch erhöht – das erste Mal überhaupt. Er kostet nun 1,20 Euro.
Es folgt eine lange glückliche Jugend
Mindestens drei Monate bleiben die Kleinen in unserer „Mutter-Kind-Station“, danach ziehen sie um in die Jungrinderherde. Das muss auch sein, denn sie sind dann schon richtig groß und brauchen Platz, um sich austoben zu können. Wenn Du wüsstest, wie es da manchmal zugeht! Da fliegt das Stroh meterweit! Trotzdem stehen sie noch unter unserer intensiven Beobachtung, denn noch sind es Kinder, die auch einmal krank werden können. Jetzt gibt es auch ein bisschen Getreideschrot zum Heu und Gras. Du kennst das ja von Kindern und Jugendlichen: Sie wachsen schnell und manchmal geht ihnen die Energie aus. Da muss man einfach mal „ein paar Briketts nachlegen“, damit der Kreislauf mit dem Wachstum mitkommt.
Machen sich unsere Jugendlichen gut, sind sie stabil gesund und robust, dürfen sie auf die Weide umziehen. Hier müssen sie arbeiten, um an die ganzen leckeren Kräuter zu kommen, die sie bis jetzt frei Schnauze geliefert bekamen. Aber was ist das schon, wenn man übermütig kilometerweit rennen oder gemütlich in der Sonne chillen und unter Bäumen dösen kann?